Kreatin ist mehr als nur ein Supplement zum Muskelaufbau

Frau trainiert den Bizeps mit der Kurzhantel
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Supplemente im Fitnesssport und Bodybuilding kommen und gehen mit dem Hype, nur das Kreatin ist eines der wenigen beständigen und wirkungsvollen Nahrungsergänzungsmittel, das schon lange erfolgreich angewendet wird.

Die Wirkungsweise des Kreatin

Das Kreatin ist insbesondere in schnell kontrahierenden, kraftintensiven Muskelfasern von fundamentaler Bedeutung. Im Gegensatz zu vielen anderen Zellen im Körper und den langsamer kontrahierenden Muskelfasern gewinnen diese Muskelzellen die Energie durch die Glykolyse, also die Spaltung von Zucker, statt durch die Zellatmung. Der anaerobe Stoffwechsel innerhalb der schnell kontrahierenden Muskelfasern ist also weniger vom Sauerstoff abhängig, und die Energievorräte (ATP oder Adenosin-Triphosphat) werden schnell durch die muskuläre Leistung erschöpft.

Hier springt das Kreatinphosphat ein. Während eines anstrengenden Satzes Kniebeugen, gerade wenn dem Muskel das ATP ausgeht, sich das energiearme ADP (Adenosin-Diphosphat) ansammelt und man eigentlich einknicken müsste, lädt das Kreatin das ADP zu ATP auf, indem es das Phosphat an das ADP abgibt und dadurch mehr energiereiches ATP bildet. Das wiederum resultiert in mehr Kraft und einer längeren Leistung, die uns befähigt, die eine oder andere Wiederholung mehr rauszuholen und den Muskelaufbau zu stimulieren. Das Kreatinphosphat stellt somit eine Art Energiepuffer bereit, das die Energiereserven bei hoher Belastung schnell aufzufüllen vermag.

Kreatin führt zu einer vermehrten und vorübergehenden Wassereinlagerung, die in einer Volumensteigerung der Muskelfasern resultiert. Dies ist auch vorteilhaft beim Kraftsport und erlaubt dem Sportler eine effizientere Kraftumsetzung.

Muskelaufbau durch Kreatin – Zahlen

Die Kreatin-Wirkung ist so signifikant, dass die Einnahme von Kreatin vor allem bei weniger trainierten Sportlern den Muskelzuwachs in einem bestimmten Zeitraum nahezu verdoppeln kann. In einer bekannten Studie nahmen Probanden nach drei Monaten +6% Muskelmasse zu, wenn sie täglich 25 g Kreatin einnahmen, während das gleiche Training ohne Kreatin im gleichen Zeitraum nur zu einer Zunahme von +3% Muskelmasse bei den anderen Teilnehmern führte [1]. Der Umfang der Muskelfasern wuchs deutlicher durch die Kombination aus Kreatin und Training, und die Teilnehmer steigerten ihre Leistung beim Bankdrücken in einem Bereich von +15% bis nahezu +50% mehr, was durchaus beachtlich ist [2].

Kreatin fördert zudem die Muskelregeneration, indem es die Produktion des muskelaufbauenden Peptidhormons IGF-1 (Insulin like growth factor 1)  anregt und die Bildung des Glucosetransporter GLUT4 in den Muskelfasern stimuliert [3, 4]. Sportler, die Kreatin einnehmen, erleiden weniger Muskelfaserschäden durch das Krafttraining, und der Anstieg des oxidativen Stresses und der Entzündungswerte fällt nach dem Training bei ihnen geringer aus [5].

Kreatin für ältere Sportler

Senioren haben eine geringere Kreatin-Konzentration innerhalb der Muskelfasern und regenerieren auch das energiereiche Kreatinphosphat schlechter als jüngere Menschen. Interessanterweise reagieren sie auch deutlicher als Jüngere auf Kreatin-Präparate, nämlich mit einer starken Kreatin-Aufnahme im Muskel.

Im Kampf gegen den altersbedingten Muskelverlust zeigt sich Kreatin unterstützend zum Krafttraining. In einer Studie mit älteren Frauen führte die Kombination aus Kreatin und Krafttraining zu einer deutlicheren Steigerung beim Beindrücken, während das Training allein in keiner Kraftsteigerung resultiert. Durch das Kreatin steigerte sie ihre Leistung beim Bankdrücken um +10% mehr als durch das Training allein, und sie nahmen mehr Muskelmasse an Armen und Beinen zu, während dies mit dem Training allein kaum oder gar nicht gelang [6].

Da Krafttraining ein wichtiges Mittel gegen alterstypische Erscheinungen wie Muskel- und Knochenschwund, sowie Diabetes Typ 2 ist, sollte Kreatin als günstiges und nebenwirkungsfreies Präparat, das die Wirkung des Krafttrainings potenzieren kann, nicht im Arsenal älterer Sportler fehlen.

Kreatin, Psyche und Gehirnleistung

Brain Network
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Nach der Muskulatur ist das Gehirn der größte Kreatin-Speicher im Körper. Insbesondere in Bereichen, die mit dem Erlernen neuer Informationen und Fähigkeiten verbunden sind, spielt das Kreatin wahrscheinlich eine bedeutende Rolle als flotter Energiepuffer.

Einer dieser kreatinreichen Gehirnareale, der Hippocampus, ist auch mit Depressionen assoziiert. Der Hippocampus stellt die Produktionsstätte neuer Hirnzellen dar und diese Funktion ist bei depressiven Menschen beeinträchtigt. Eine Unterversorgung mit ATP könnte hier einer der beitragenden Faktoren sein, bedarf aber mehr Forschung. Kreatin wurde bereits in einer Studie zusätzlich zu einer Therapie mit Antidepressiva verabreicht, in der es die Anzahl der Patienten mit einer Besserung der psychischen Situation verdoppelte [7]. Dies gilt jedoch nur für unipolare Depressionen und muss durch mehr Forschung belegt werden.

Besser erforscht ist die leistungssteigernde Wirkung auf die Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit. Auch hier erzielte das Kreatin bei Senioren eine spürbare Wirkung und verbesserte ihre Wahrnehmung und das Gedächtnis für räumliche, mathematische und verbale Informationen [8].

Zwar nicht so effizient wie das Koffein, steigert es dennoch signifikant die Aufmerksamkeit bei Menschen mit einem deutlichen Schlafmangel [9].

Daher ist die Einnahme von Kreatin für mehr Gedächtnisleistung beim Arbeiten und Studien noch recht unterschätzt und stellt eine positive Nebenwirkung dar.

Kreatin-Präparate: Keep it simple!

Bodybuilder
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Auf dem Markt befinden sich derzeit diverse Kreatin-Supplemente, angefangen beim klassischen Monohydrat über das Kreatin Ethyl Ester und Kre-Alkalyn® bis zu Kreatin Gluconat, das an ein Zuckermolekül gebunden ist. Dabei versprechen die Hersteller eine bessere Absorption und eine höhere Wirkung bei einer geringeren Dosis.

Tatsächlich wurden einige dieser Supplemente unter kontrollierten Umständen in Studien untersucht – mit einem eher vernichtenden Urteil. So erzielt das Kre-Alkalyn® keineswegs die gleiche Kreatin-Sättigung in der Muskulatur bei der vom Hersteller vorgegebenen Dosis, es ist also nicht wie behauptet 10x effizienter als herkömmliches Kreatin Monohydrat, sondern in etwa vergleichbar [10]. Man nimmt also eine viel zu geringe Dosis zu sich, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Noch schlechter ist Kreatin Ethyl Ester, denn dieses wird kaum durch die Muskulatur aufgenommen und zerfällt leicht zum Abbauprodukt Kreatinin. Sportler erzielen damit kaum Kraft- und Muskelzuwächse [11].

Fazit: Einfach beim altbewährten, günstigen Kreatin Monohydrat bleiben! Das einzige interessante Präparat zum Experimentieren könnte das Tri-Kreatin Malat sein, das in organischer Form vorliegt und eine energiespendende und stimmungsaufhellende Wirkung jenseits von der des Kreatins aufweist.

Hat Kreatin Nebenwirkungen?

In der Kraftsport-Community sind viele Halbwahrheiten unterwegs, die von erhöhter Krampfgefahr, Dehydrierung und Nierenschäden mit Kreatin berichten.

Einer der Gründe für diese Annahme ist, dass eine vermehrte Kreatin-Aufnahme zu höheren Kreatinin-Werten führt. Kreatinin, ein Abbauprodukt des Kreatins, wird jedoch in der Diagnostik als Anhaltspunkt für eine eventuelle Nierenbelastung oder Nierenschaden verwendet. Daher führt die Einnahme von Kreatin häufig zu Fehldiagnosen [12]. Bei gesunden Menschen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Kreatin zu einem Schaden der Nieren führen könnte. Lediglich Personen mit einer bestehenden Nierenerkrankung sollten von einer Anwendung absehen oder diese mit einem Arzt absprechen.

Krämpfe und Wasserverluste konnten in bisher keiner Studie belegt werden, vielmehr unterstützt Kreatin die körperliche Leistung bei hoher Temperatur und Dehydrierung. Dennoch sollte man stets auf eine ausreichende Versorgung mit Wasser achten – vor allem, da das Kreatin Wasser in der Muskulatur einlagert und diese nützlich für die Kraftsteigerung und den Muskelaufbau ist.

Dosierung und Anwendung

Die Kreatin-Einnahme gestaltet sich sehr simpel:

  • In den ersten 7 Tagen 20 g Kreatin täglich, aufgeteilt auf 4 Gaben
  • danach auf 5 g täglich wechseln
  • ausreichend Wasser trinken
  • idealerweise Kohlenhydrate dazu
  • auf Koffein und Alkohol verzichten
  • das Kreatin nach Belieben wieder absetzen, es ist jedoch nicht notwendig, da es durchgehend eingenommen werden kann.

 

Quellen:

  1. Volek, J.S., et al., Performance and muscle fiber adaptations to creatine supplementation and heavy resistance training. Med Sci Sports Exerc, 1999. 31(8): p. 1147-56.
  2. Rawson, E.S. and J.S. Volek, Effects of creatine supplementation and resistance training on muscle strength and weightlifting performance. J Strength Cond Res, 2003. 17(4): p. 822-31.
  3. Deldicque, L., et al., Effects of resistance exercise with and without creatine supplementation on gene expression and cell signaling in human skeletal muscle. J Appl Physiol (1985), 2008. 104(2): p. 371-8.
  4. Burke, D.G., et al., Effect of creatine supplementation and resistance-exercise training on muscle insulin-like growth factor in young adults. Int J Sport Nutr Exerc Metab, 2008. 18(4): p. 389-98.
  5. Bassit, R.A., R. Curi, and L.F. Costa Rosa, Creatine supplementation reduces plasma levels of pro-inflammatory cytokines and PGE2 after a half-ironman competition. Amino Acids, 2008. 35(2): p. 425-31.
  6. Gualano, B., et al., Creatine supplementation and resistance training in vulnerable older women: a randomized double-blind placebo-controlled clinical trial. Exp Gerontol, 2014. 53: p. 7-15.
  7. Lyoo, I.K., et al., A randomized, double-blind placebo-controlled trial of oral creatine monohydrate augmentation for enhanced response to a selective serotonin reuptake inhibitor in women with major depressive disorder. Am J Psychiatry, 2012. 169(9): p. 937-45.
  8. McMorris, T., et al., Creatine supplementation and cognitive performance in elderly individuals. Neuropsychol Dev Cogn B Aging Neuropsychol Cogn, 2007. 14(5): p. 517-28.
  9. McMorris, T., et al., Creatine supplementation, sleep deprivation, cortisol, melatonin and behavior. Physiol Behav, 2007. 90(1): p. 21-8.
  10. Jagim, A.R., et al., A buffered form of creatine does not promote greater changes in muscle creatine content, body composition, or training adaptations than creatine monohydrate. J Int Soc Sports Nutr, 2012. 9(1): p. 43.
  11. Spillane, M., et al., The effects of creatine ethyl ester supplementation combined with heavy resistance training on body composition, muscle performance, and serum and muscle creatine levels. J Int Soc Sports Nutr, 2009. 6: p. 6.
  12. Willis, J., et al., Protein and creatine supplements and misdiagnosis of kidney disease. BMJ, 2010. 340: p. b5027.
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