Pilates – die starke Mitte für eine gesunde Haltung
|Jeder von uns kennt es oder hat es schon einmal erlebt, das Gefühl der Unausgeglichenheit, die ewige, zuweilen schwierige Suche nach der inneren Balance. Der Stress im Alltag macht uns dabei eben einfach mal einen Strich durch die Rechnung. Das Ergebnis ist nicht neu, ein Großteil von uns leidet unter körperlichen und seelischen Fehlbelastungen, die sich gegenseitig bedingen können. Ein langer Arbeitstag im Stehen oder Sitzen, zu viele Anforderungen, die uns Kopfzerbrechen bereiten, verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit… All das führt über kurz oder lang zu Dysharmonien in Körper und Geist. Rückenschmerzen, Migräne und andere Leiden sind die Folge.
Den Stress und die Belastungen der schnelllebigen Zeit können wir heute nicht wegzaubern. Doch wir können uns wappnen, indem wir unsere Mitte stärken und mit der inneren Balance die Herausforderungen annehmen.
Es gibt viele Methoden, die uns dabei helfen, eine davon steht nachfolgend im Mittelpunkt: Die Pilates-Methode, oder kurz Pilates, ist seit vielen Jahren aus der Fitness-Szene nicht mehr wegzudenken. Viele neue Arten von Workouts mit toll klingenden Namen und effektiven Übungen kamen und gingen. Pilates ist eine feste Konstante auf den Kursplänen der Fitnessstudios weltweit geblieben.
Aber was ist Pilates eigentlich und worauf ist der Erfolg begründet?
Die Geschichte von Pilates
Joseph Hubertus Pilates (*1883 in Mönchengladbach/† 1967 in New York) nannte seine selbstentwickelte Methode der Funktionsgymnastik „Contrology“, da es hierbei darum geht, die Muskeln mithilfe des Geistes zu kontrollieren. Erst posthum wurde die uns heute sehr bekannte Form des systematischen Ganzkörpertrainings in Pilates umbenannt.
Der Erfinder Pilates kombinierte verschiedene klassische Gymnastikübungen mit Figuren aus dem Yoga und diversen fernöstlichen Kampfsportarten. Rund 500 Übungen gibt es, wobei jede einen wohlklingenden Namen trägt (bspw. „the swan“ – der Schwan). Die Übungen beinhalten Krafttraining, Stretching und Balance-Sequenzen. Man unterscheidet Mattentraining und Training an Geräten, die Joseph Pilates eigens für seine Methode entwickelt hat und die bis heute noch ihre Anwendung finden. In Fitnessstudios wird hauptsächlich Mattentraining, teilweise mit Pilates-Kleingeräten wie Pilates-Ring, -Ball oder -Rolle, angeboten.
Joseph Pilates arbeitete nie in Gruppen mit seinen Schülern, sondern nur in Form von Einzeltrainings. Die Konzentration auf den Trainierenden, die Korrektur und stetige Verbesserung seiner Bewegungsabläufe stand hierbei im Vordergrund. Diese intensive Arbeit wird annähernd in kleinen Gruppen erreicht, optimal ist es nach wie vor im Einzeltraining.
Das Training diente bereits in den 50er Jahren zu Rehabilitationszwecken; Joseph Pilates arbeitete seinerzeit mit vielen verletzten Tänzerinnen des New York City Ballets zusammen, damit sie trotz Bänderrissen o.Ä. „in Form“ blieben, ihre Muskulatur weitertrainieren und somit schnell wieder zurück auf die Bühne konnten. Davon abgesehen hielten sich damals bereits bekannte Schauspielgrößen wie Grace Kelly mit Pilates fit und schön. Heute ist die Promi-Liste dementsprechend länger, u.a. zählt auch die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft dazu.
Die Pilates-Methode ist nicht urheberrechtlich geschützt. Im Laufe der Jahrzehnte wurden viele Variationen entwickelt, die aber grundlegend auf den ursprünglichen Prinzipien (Konzentration, Zentrierung, Kontrolle, Atmung, Präzision und Fluss) beruhen. Als Beispiel sei kurz Yogilates erwähnt, eine beliebte Kombination aus Yoga und Pilates.
Die Grundlagen
Die oben kurz beschriebene Gymnastikform dient zur Kräftigung der Muskulatur, im Speziellen der Beckenboden-, Bauch- und Rückenmuskulatur. Das ganzheitliche Körpertraining spricht ebenfalls die kleinen tiefliegenden, meist schwächeren Muskelgruppen an. Ganz schlicht und ergreifend geht es um unseren Bauch, im Speziellen um vier Muskelgruppen in seinem Inneren, die ähnlich wie ein Haus aufgebaut sind, unsere Mitte bilden und stärken. Nennen wir sie die „vier Muske(l)tiere“:
- das Fundament = der Beckenbodenmuskel
- das Dach = das Zwerchfell
- die Rückwand = der vierspaltige Muskel an der Wirbelsäule
- die restlichen Außenwände = der Korsettmuskel
Diese sogenannte Tiefenmuskulatur stützt die Wirbelsäule und kann sogar bei trainierten Menschen nicht stark genug ausgeprägt sein, auch wenn ein Sixpack sowie eine gut definierte Rückenmuskulatur einen anderen Eindruck erwecken. Eine mangelnde Stärkung der Tiefenmuskulatur kann zu Haltungsproblemen, Rückenleiden und daraus resultierenden Schonhaltungen führen. Der Aufbau diese Muskelgruppen ist der Kern der Pilates-Methode.
Das Stichwort „Haus“ fiel bereits, denn diese sogenannte Stützmuskulatur nennt man im Pilates „Powerhouse“.
Wörtlich übersetzt bedeutet „Powerhouse“ Elektrizitätswerk, Kraftwerk oder Maschinenhaus. So weit, so gut… Und was hat das mit Funktionsgymnastik zu tun? Produziert eine Pilates-Gruppe ihren eigenen Strom? Sicher eine innovative Idee, aber so ist es nicht ganz.

Mit der Allegorie des Powerhouse ist das Kraftzentrum in der Körpermitte gemeint. Um diesen Kern zu trainieren und für jede Übung im Pilates zu aktivieren, bedarf es viel Übung und Vorstellungskraft. Spannt man seinen Bizeps an, kann man das ertasten, aktiviert man sein Powerhouse, muss man das erspüren und visualisieren. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie schnüren sich ein Korsett um die Taille. Automatisch richten Sie sich auf, Sie atmen in nicht in Bauch, sondern direkt in den Brustkorb, der Bauchnabel wird dabei nach innen gezogen. Die Aufrichtung und Konzentration auf die Körpermitte beeinflusst natürlich die Haltung, sie wird aufrechter; Sie wachsen noch ein bisschen, auch wenn das Erwachsene eigentlich nicht mehr tun. Aus dieser Haltung ergibt sich die bewusste, die typische Pilates-Atmung: Einatmung durch die Nase in den Brustkorb (nicht in den Bauch), es weiten sich die Rippen, Ausatmung (besser „Aushauchung“) durch den Mund, wobei der Bauchnabel noch weiter nach innen gezogen wird. Die Konstruktion der gestärkten Mitte wird dadurch nicht mit einer Bauchatmung beeinträchtigt.
Diese starke Mitte erdet uns und gibt uns Kraft, sie gleicht uns aus, sie macht uns effizienter in unseren Bewegungen. Sie sollen einen Ball so weit wie möglich werfen, unter welchen Umständen ist es leichter? In einem wackligen Boot mitten auf dem See oder an Land?
Die Anwendung

Das ist die Grundlage für ein effektives Pilates-Training. Durch Konzentration, Präzision, eine spezifische Atemtechnik und ständige Kontrolle der Ausführung von Übungen erlernt man kontinuierlich seinen Körper besser zu beherrschen, in Balance zu bringen.
Vor dem inneren Auge sollte immer die perfekte Ausführung der Übung, die Imagination der Perfektion ablaufen. Das klingt für Anfänger meistens sehr kompliziert, so viele Dinge, die man beachten muss, eine Atmung, die wir im Alltag gar nicht praktizieren und so vieles mehr. Ja, es stimmt, Pilates ist vielschichtig und es gibt die Ansicht, dass es eine Wissenschaft, eine Naturwissenschaft, für sich ist. Es ist aber auch eine Lebenseinstellung oder eine Leidenschaft, wenn man sich dafür begeistern kann, wächst man förmlich in die Methode hinein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich als Anfänger einen ausgebildeten Pilateslehrer/-in zu suchen, der in Gruppen oder in Einzeltrainings eine professionelle Einführung in die Methode gewährleistet. So wird man erfolgreich trainieren können.
Die Übungen werden nach und nach immer flüssiger, die Atemtechnik stellt sich ein, und der Kreislauf wird auf angenehme Weise angeregt. Mit der Zeit baut sich die Muskulatur auf, wird geschmeidig, selbst im gedehnten Zustand kann sie Kraft aufwenden. Dadurch werden Muskeln an Armen und Beinen lang und schlank und nicht zu kompakt und dick. Rücken- und Bänderleiden, Osteoporose, u.v.m. wird vorgebeugt. Viele Menschen, die unter einem Bandscheibenvorfall leiden, suchen einen Pilates-Kurs auf, um neben einer manuellen Physiotherapie ihren Rücken wieder zu stärken.
Man kann noch unendlich weiterschreiben über diese wunderbare Trainingsmethode, kann tief in die Details eintauchen, wie die Übungen selbst in die o.g. tiefe Muskulatur des Körpers eintaucht, um sie schonend, aber effizient aufzubauen. Es lohnt sich, diese Details selbst zu ergründen, wenn man sich für die Pilates-Methode entscheidet. Dabei macht jeder seine individuellen Erfahrungen und persönliche Entdeckung des eigenen Körpers, eine intensive Reise zu sich selbst.
Abschließend sei Joseph Pilates mit einem sehr treffenden Satz zitiert, der die Wirkung der Methode auf den Punkt bringt:
Das war das, was ich gebraucht habe. Vielen vielen dank!
Ich arbeite als Verkäuferin und habe mit den Jahren eine falsche Körperhaltung entwickelt, die jetzt Rücken- und Knieschmerzen verursacht. Es wurden mir schon orthopädische Einlagen für die Arbeitsschuhe vorgeschrieben aber ich sollte auch durch Sport die Beinmuskulatur aufbauen. Pilates könnte genau das richtige für mich sein, danke für den Beitrag!